Gareth Jones [bas relief by Oleh Lesiuk]
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A 'hand' typed Press Release by Brüder In Not from Gareth's Jones effects, probably collected from the Berlin Charity in late March or May 1933Beider E n t v ö l k e r u n g…die zurzeit vor sich geht, wirken. 2 Faktoren zusammen: Das Aussiedeln und Verschicken grosser Bevölkerungsteile, eine Massnahme, die seit dem vorigen Herbst im Zusammen-hang mit de Kampf um die Getreidenahlieferung, mit dem Brechen der „Kulaken-sabotage“ und des passiven Widerstandes in grossem Umfange durchgeführt wurde und noch nicht beendet ist; und ferner das grosse Hungersterben, das zurzeit mitten im Gänge ist. Von der A u s s i e d l u n g wurden hauptsächlich die Gebiete der ….betroffen. Die selbstbewussten ….waren ihrer ganzen. Tradition und Einstellung gemäss von Beginn an die entschiedensten Gegner der Kollektivierung. Der passive und stellenweise auch aktive Widerstand, den sie im vorigen Herbst gegen die Massnahmen der Regierung entfalteten, war eine ernste Gefahr und wurde mit den schärfsten Mitteln unterdrückt. Ein grosser Teil des….ist durch Aussiedlung — und zwar wie es heisst, ins Uralgebiet und nach Sibirien — entwurzelt und damit aufgelöst worden. Der zurückgebliebne Rest ist durch Hunger dezimiert worden. Die grossen Stanizen …sind zur Zeit fast völlig leer. Die letzten Überreste….die sich dort noch gehalten haben, werden bis Ende des Jahres durch Hunger “liquidiert“ sein. Die Entvölkerung erstrecht sich aber nicht nur t auf die von der Aussiedlung und anderen politischen Strafmassnahmen betroffen Dörfer und Gegenden sondern ist eine allgemeine Erscheinung in fast allen Dörfern, die ich unterwegs berührte. Besonders weit vorgeschritten ist die Entvölkerung z.B. in der….Gegend, wo nach übereinstimmenden Aussagen keine grösseren Aussiedlungsaktionen durchgeführt wurden. Für die Gerächte in …. und Umgegend die Pest verkomme, konnte ich durch Befragen der dortigen Bevölkerung, obwohl in einigen Fällen die diesbezügliche Frage bejaht wurde, keine einwandfreie Bestätigung erlangen. Dagegen wurden mir die überall verbreiteten Erzahlungen über Fälle des Kannibalismus sowohl in …. als auch in….durch glaubwürdige Angaben mit allen. Einzelheiten und Namensflennung bestätigt. Die Hungersnot ist nicht nur eine Folge der vorjährigen Missernte, sondern vor allem der brutalen Durchführung der Getreideaufbringung. Daher sind auch diejenigen Gebiete, die eine befriedigende Ernte hatten, von dem Hunger nicht verschont geblieben. im Übrigen ist die Situation in den einzelnen Gegenden des …. sehr v e r s c h 1 e d e n. Einen besseren Eindruck macht die Gegend längs der ….Bahn‚…. , die….fur die Bevölkerung der umliegenden Dörfer einige Arbeitsmöglichkeiten bietet, und der Streifen längs der Bahn…. ‚ wo die Nahe der grossen Staatsgüter sich günstig auswirkt. Weit vorgeschritten ist die Entvölkerung ausser in den erwähnten Gebieten….auch in den Ostbezirk…. In den südlichen Bezirken, soweit sie in der Steppe liegen, ist die Hungersnot auch recht bedeutend, dagegen sollen die…. von der Hungersnot bisher verschont geblieben sein. Der U m f a n g d e s H u n g e r s t e r b e n s geht daraus hervor, dass nach ungefähren Angaben der Einheimischen z.B. in….. die Bevölkerung seit dem Beginn des Winters von 15 000 auf 7 000 zusammengeschmolzen ist, in....von 24 000 auf l0000, in....von 6000 auf 2000 und in…. von 3 000 auf 1, 500. Bei den beiden erstgenannten Ortschaften handelt es sich um ….stanizen, die von der Verschickung betroffen wurden, bei den letztgenannten um russische Dörfer, deren Bevölkerunksachwund lediglich auf den Hunger zurückzuführen ist. Ansteckende Krankheiten und gefährliche Seuchen sind in den bisher erwähnten Dorfern nicht in nennenswertem Umfange aufgetreten. Sehr stark ist auch der Bevölkerungsruckgang in den grösseren Städten, obwohl hier, da ein grosser Teil der Bevölkerung Kartempfänger ist, die Verhältnisse noch günstiger liegen. In….sollen beispielsweise bisherigen Gesamtbevölkerung von 230 000 Seelen seit dem 1. Januar 1933 rund 40 000 Menschen gestorben sein. Einen sehr toten Eindruck macht…. ‚ dessen Bevölkerungszahl von 140 000 auf 90 000 Einwohner zurückgegangen sein soll. Ich habe früher darauf hingewiesen, dass der von der Statistik angenommene Vermehrungskoeffizient der russischen Bevölkerung sicher nicht mehr zutreffend ist. Es ist zweifellos nicht mehr angängig, sich die Bevölkerungszahl. der Sowjetunion dadurch zu errechnen, dass für jedes Jahr 3 ½ Mill. Menschen als Bevölkerungszuwache gerechnet werden. Schon für des vergangene Jahr dürfte diese Zahl nicht mehr zutreffen und für 1933 eher mit einem R ü c k g a n g der B e v ö 1 k e r u g z i f f e r zu rechnen sein. In den von mir besuchten Dörfern wurde die Zahl der täglich Sterben den in den meisten Fällen mit 20—30 beziffert. Zweifellos hat das H u n g e r s t e r b e n s e i n E n d e n o c h n i c h t e r r e i c h t. Die jetzt noch Überlebenden sind durch Unterernährung und den Genuss gesundheits schädlicher Stoffe wie Gras, Wurzeln, geröstete Knochen, Pferdekadaver und dgl. so geschwächt, dass ein grosser Teil von ihnen noch umkommen dürfte, wenn mit den Einsetzen der wärmeren Jahreszeit die Malaria, die bereits im vorigen Herbst in einem noch kaum dagewesenen Umfange auftrat, sich ausbreitet. Auch die Typhuserkrankungen, die schon jetzt in einzelnen Fällen vorkommen, durften noch zunehmen. Eine neue Sterbewelle ist zu erwarten, wenn nach der neuen Ernte die ausgehungerten Menschen sich zum ersten Mal mit neuem Brot Sattessen und mit d von frischen Gemüse die Darmkrankheiten einsetzen. Die von dem .Hungersterben betroffenen Dörfer machen einen trostlosen Eindruck. Die verlassenen und gewöhnlich stark abmontierten Häuser verfallen sehr rasch. Wahrend in vorigen Jahr in…. die verlassenen Häuser zum grossen Teil sorgfältig mit Brettern -vernagelt waren, also offenbar nur zeitweise verlassen waren, sind die Hauser hier sichtlich für immer verlassen und keinerlei Vorkehrungen zu ihrer Erhaltung getroffen. In den verlassenen Höfen liegt das bäuerliche Inventar umher und verdirbt. Auffallend ist, dass auch in den nicht verlassenen Wirtschaften die Gärten kaum irgendwo bearbeitet sind. In einzelnen Dörfern hat man Mühe einen Menschen zu treffen, den man nach dem Wege fragen kann. In anderen Dörfern sind nur einzelne Teile der Ortschaft ausgestorben, wahrend in anderen noch leben vorhanden ist. Das hängt offenbar damit zusammen dass in den Kolchosen, die in einzelnen Dörfern von den Einzelbauern regional abgegrenzt sind, die Bevölkerung sich durch die staatliche Saathilfe und die gesellschaftliche Speisung besser gehalten hat, als die gänzlich hilflose einzelbäuerliche Bevölkerung. Hunde und Katzen sind nur noch sehr vereinzelt anzutreffen und zum grossen Teil bereits verzehrt. Schweine, Schafe und Hühner sind kaum irgendwo sehen. Das gewöhnlich einzige, vorhandene Nutzvieh sind die Kühe, die sich bei der guten Futterwüchsigkeit dieses Frühjahrs sogar zum grossen Teil in einen ganz guten Futterzustand befinden. In den östlichen Steppengegenden stellten mit dem Eintreten des Frühjahres die Zieselmäuse (Susliki) eine wertvolle Hilfe für die menschliche Ernährung dar. Zurzeit sind aber die in der Nahe von Teichen und Wasserläufen befindlichen Suslikbaue schon ausgegossen und, um die entfernteren zu erreichen, fehlt es an Anspann für die Wasserwagen, bezw. an Menschenkraft, um die Wassereimer über eine grössere Entfernung zu tragen. Das B r o t ist aus der Ern der Einzelbauern gewöhnlich gänzlich verschwunden. Von den Kolchosbauern haben nur noch wenige noch einen kleinen Vorrat von der letzten Erntewertseinheit. Nur in einigen Kolchosen gibt es eine Art Hungerhilfe, die darin besteht, dass das arbeitende Kolchosmit- Glied für erarbeitete Arbeitseinheit eine geringe Menge (gewöhnlich 300 gr) Maismehl als Vorschuss auf die neue Ernte erhält. Auch die gesellschaftliche Speisung, die nur den arbeitenden Kolchosmitgliedern zugutekommt, stellt, obwohl sie mit minimalem Aufwand von Nahrungsmitteln durch kraftlose Suppen bestritten wird, eine gewisse Hilfe dar. Das in den Städten an die Arbeiter und Angestellten zur Verteilung gelangende Brot ist, soweit ich sehen konnte, auch nicht aus reinem Getreide hergestellt, sondern enthält starke Zusätze von Moharhirse, Mais usw. und ist für den Ungewöhnten schwer geniessbar. Auf den Basaren sind einige Lebensmittel, aber fast durchweg schlechte Qualität zu hohen Preisen zu kaufen und zwar vorwiegend Milchprodukt, ferner Maiskuchen (Mamalyga), Maisbrot, Grütze aus Sorghum u.a., dagegen nirgends Brot oder Mehl. Selbst in den Torgsin-Läden ist Mehl häufig nicht erhältlich. Trotzdem Ist der Torgsin für viele die letzte Rettung. In sind Raubüberfälle auf Menschen vorgekommen, denen in brutalster Weise die Gold—Plomben herausgerissen wurden. Dass das grosse Hungersterben ohne merkliche Erschütterungen des Staatsapparates vor sich geht, ist ein Zeichen für dessen Stärke und die v ö l l i g e H i l f l o s i g k e i t d e r B e v ö l k e r u n g. Obwohl das Banditenwesen und das Herumlungern obdachloser Kinder und Erwachsener sehr zugenommen hat, kann man doch ganz unbehelligt durch die schlimmsten Hungergegenden reisen. Die Menschen zeigen weniger Wut und Rabiate Stimmung, als stille Verzweiflung und gänzliche Apathie. Während bei der vor jährigen Hungersnot in…. ein grosser Teil der Bevölkerung durch A b w a n d e r n in bessere Gegenden, durch Unterschlüpfen in der Industrie oder in den Statten sich zu retten suchte, fällt diese Möglichkeit in diesem Jahre fort. In Industriebetrieben und Staatsgütern sollen Neueinstellungen neuerdings nur auf Grund eines speziellen Lohngängervertrages mit einem Kolchos oder einem Dorfrat erfolgen. Nur auf Grund eines solchen Vertrages darf der Dorfrat eine Bescheinigung für den Abwandernden ausstellen. Auf den Bahnhöfen werden Fahrkarten nur gegen Vorweisung einer derartigen Bescheinigung des Dorfrates verkauft. Pferde sind kaum noch irgendwo im Eigenbesitz, und zu weiteren Fusswanderungen fehlt den Menschen die Kraft. Den Hungernden bleibt gewöhnlich nur übrig, im eigenen Dorf ihrem allmählichen ende entgegenzusehen. Zurzeit ist die Lage im …. derart, dass einige Dörfer fast völlig ausgestorben sind, andere etwa zur Hälfte, während ein immerhin noch erheblicher Prozentsatz der Dörfer noch nicht in Stärkerem Umfange von dem Hungersterben betroffen worden sind. Gehungert wird aber, jedenfalls in den von mir bereisten Gegenden, überall. Bis zum Herbst dürfte sich der Prozentsatz ausgestorbener Dörfer noch erheblich. Das Besondere an der durch die Hungersnot entstandenen Situation ist, dass der H u n g e r a m t l i c h nach wie vor nicht zur Kenntnis genommen, sondern f o r t g e 1 e u g n e t w i r d . Daher f e h 1 t j e d e H i 1 f e von seiten des Staates oder irgendwelcher Wohltätigkeitsorganisationen, abgesehen von der im Frühjahr den Kolchosen gewährten Saathilfe, auf deren ausschliessliche Verwendung zu Saatzwecken streng geachtet wurde. Immerhin ist diese, nachdem die Sowjetregierung erst durch eine Verordnung vom 23.9.32 jede Saathilfe kategorisch verboten hatte, das Eingeständnis eines ausserordentlichen und von der Regierung nicht vorausgesehenen Notstandes. Die Hungersnot ist in diesem Jahre sicher schlimmer als im Jahre 1921. Während aber damals allein durch die amerikanische Hungerhilfe Hunderttausende gerettet wurden, ist jetzt jede ausländische Hilfsaktion unmöglich gemacht und von Seiten der Sowjetbehörden wird nichts unternommen. Leute, die vom Hunger geschwollen, sich an den Dorfsowjet um Hilfe wandten, erhielten, wie mir in mehreren Fällen erzählt wurde, die Antwort, dass sie ihr verstecktes Getreide essen sollten, und Hunger nirgends .vorhanden sei. Tatsächlich geht die amtliche Formulierung, die auch in Plakaten und Transparenten auf den Dörfern zu finden ist, dahin, dass Getreide vorhanden sei und man es nur finden müsse. Es ist zweifellos im Herbst in vielen Fällen G e t r e i d e v e r g r a b e n worden. Es sind ständige Kommissionen von Komsomolzen und Komsomolzinnen gebildet worden, die mit eisernen Hebern, wie sie zur Entnahme von Getreideproben verwendet werden, die Böden in den Bauernhöfen untersuchten und eine ganze Menge von Getreide zutage gefördert haben. Diese Kommissionen gehen auch jetzt in manchen Ortschaften täglich durchs Dorf, um zu kontrollieren, ob keine frisch gegrabenen Stellen sich zeigen, die auf verstecktes Getreide schliessen lassen. So konnte es vorkommen, dass, wie mir in einen Falle berichtet wurde, in einem Bauernhof, dessen Besitzer mit seiner Familie Hungers gestorben war, noch verstecktes Getreide gefunden wurde. Die Hungernden sind durch die Entbehrungen der letzten Zeit, und durch die kärglichen Lebensverhältnisse der letzten Jahr so anspruchslos geworden und derart an minderwertige Nahrungsmittel gewöhnt, dass sie mit verhältnismässig sehr g e r i n g e n M i t t e l n z u r e t t e n wären. Mit einer zusätzlichen Brotausgabe von 500 Gramm pro Tag liesse sich das Aeusserste abwenden. Das würde bei der jetzt dort allgemein üblichen äussersten Ausmahlung (über 96%) eine Getreidemenge von 12 kg pro Kopf im Monat bedeuten. Mit 3/4 dz Getreide könnte man einen Menschen über die kritisch Zeit (Januar bis Juli) hinweghelfen. Mit hunderttausend Tonnen hätte man also eine Million Menschen, wenn auch nicht ausreichend ernähren, so doch vor dem Verhungern bewahren können. 1½ Mill. Tonnen sind aus der letzten Ernte von der Sowjetunion exportiert worden. Die für Heereszwecke angesammelten Getreidevorräte dürften zwar in der letzten Zeit geringer geworden sein, da jedenfalls die im Frühjahr für die …. ausgeworfene staatliche Saathilfe…. aus ihnen bestritten wurde, trotzdem dürfte an sich noch die Möglichkeit vorhanden sein, die wenigen hunderttausend Tonnen, die für die bescheidenste Hungerhilfe gebraucht werden, freizumachen. Wenn die Sowjetregierung offensichtlich n i c h t d i e ä u s s e r s t e n A n s t r e n g u n g e n macht, um die Verhungernden zu retten, so beweist das einmal, dass man sich über das Ernteergebnis und über die Getreidevorräte des Dorfes einer ganz groben Täuschung hingegeben hat, und zum andern, dass man sich stark genug fühlt, um über das gegenwärtige Elend hinweggehen zu können. Das Aussterben der . . . . . Bevölkerung ist der Regierung vielleicht nicht unerwünscht und im übrigen sucht man sich den Parteileuten gegenüber mit der Formel zu rechtfertigen, dass die Bauern, die nicht genügend Getreide abgeliefert haben, als Staatsfeinde anzusehen sind, und das Getreide nicht fehlt, sondern nur verstockt ist. Da der Hunger amtlich negiert wird, ist auch keine Hilfe für die bereits dem Hungertode verfallenen und noch nicht gestorbenen Menschen vorhanden. Die Menschen sind dem Tode ihrer Mitmenschen gegenüber stumpf und gleichgültig geworden. Man kann Menschen treffen, deren unters Körperpartien von Hunger geschwollen sind und die sich daher nur mit Mühe bewegen können. Andere sind soweit entkräftet, dass sie am Wege liegen bleiben und ihren Tod erwarten. Das dauert gewöhnlich einige Tage, ohne dass sich die vorbeigehenden Menschen ihrer annehmen. Daher man die H u n g e r 1 e i c h e n nicht nur auf den grossen Ueberlandwagon sondern kann sie unter Umständen auch auf den Strassen der Stadt beobachten. Es dauert gewöhnlich eine ganze Zeit, bis die Leichen hinweggeräumt werden. So sah ich in . . . . . eine Leiche, die nach den Aussagen eines mich begleitenden Einheimischen und nach den Spuren der eingetretenen Verwesung bereits seit 3 Tagen am Wege lag ohne weggeräumt zu werden. Aus diesen Verhältnissen ergeben sich grosse hygienische Gefahren. Die B e s t a t t u n g d e r H u n g e r l e i c h e n sehr primitiven Weise. Die Leichen der unterwegs Gestorbenen werden gewöhnlich nicht identifiziert, sondern gleich an Ort und Stelle verscharrt. Auch in den Dörfern macht man sich häufig nicht die Mühe, die Leichen auf den Friedhof zu schaffen, sondern vergräbt sie in den Höfen. Nur in dem nordöstlichen Gebiet konnte man mehrfach das Bild beobachten, dass Leich in Holzkisten zum Friedhof geschafft wurden. Auf allen Friedhöfen fällt die grosse Anzahl frischer Gräber auf und fast immer sind dort Menschen anzutreffen, die neue Gräber herstellen. Wie schlecht, unhygienisch und unzulänglich bei der Leichenbestattung verfahren wird, ergibt sich daraus, dass in einen Dorf…. ein Trupp von Zwangsarbeitern beschäftig war, die zu flach verscharrten Leichen, die teilweise wieder an die Oberfläche gekommen waren, auszugraben und in einem tieferen Massengrab beizusetzen. in . . . . . sollen, wie mir ein dortiger Reichsdeutscher berichtete, Leichen gefunden worden sein, an denen einzelne Fleischstücke zu Nahrungszwecken herausgeschnitten waren. Ich konnte jedoch selbst etwas derartiges nicht beobachten. Auffallend ist in allen Dörfern der grosse M a n g e 1 a n M ä n n e r n. Diese sind offensichtlich weniger widerstandsfähig und verfallen daher zuerst dem Hungertode. Von den Frauen gehen zunächst diejenigen zugrunde, die für Kinder zu sorgen haben. Daher überwiegt in den schon stark ausgestorbenen Dörfern als Bevölkerungselement in starkem Masse die allein stehende Frau. Der Kolchos in ….besteht fast nur noch aus Frauen. Ein besonders tragischer Anblick sind die Kindergärten, in die die Frauen ihre Kinder abgeben, die sie selbst nicht mehr ernähren können. Da die Kindergärten auch nicht genügen Lebensmittel haben, gehen die von Hunger verunstalteten Kinder hier ihre allmählichen Ende entgegen. Da Propaganda und Wirklichkeit jetzt in einem zu krassen Gegensatz stehen, hat man auf die in früheren Jahren geübtc propagandistische Bearbeitung der Kolchosbauern fast völlig verzichtet. Versammlungen werden in den Kolchosen kaum noch abgehalten. An die Stelle die Stimulierung von bolschewistischem Enthusiasmus ist brutaler Zwang getreten. Wer die Arbeitsstätte verlässt, wird verhaftet. Es fällt auf, wie häufig man auf den Dörfern Trupps von Zwangsarbeiten bewaffneter Begleitung antrifft. Es scheint zum System geworden zu sein, dort, wo die Arbeit infolge der Entkräftung und der Unlust der Kolchosbauern nicht vorwärts kommt, zur Z w a n g s a r b e i t seine Zuflucht zunehmen. In übrigen haben auch die Sowjetfunktionäre unter den schlimmen Ernährungsverhältnissen zu leiden. Mir sind Fälle bekannt geworden, dass Agronomen an Lebensmitteln nichts weiter als 500 Gramm Brot erhielten, sodass sogar einige Parteileute einfach desertiert sind. Die S i t u a t i o n der…… Landwirtschaft ist naturgemäss auf der Stärkste von diesem grossen Hungersterben beeinflusst. In den entvölkerten Dörfern fehlt es an Menschen zur Durchführung der Bestellungsarbeiten. Ein grosser Teil der Felder liegt daher brach. Auf der Strecke ….‚ dem fruchtbarsten Teil….‚ war Anfang Mai nur etwa ein Viertel der Felder bestellt. Die Bestellungsarbeiten wurden noch fortgesetzt. In den anderen Teilen war die Situation ähnlich, z.T. besser, z.T. noch schlechter. Fast vollständig bestellt ist der Streifen längs der…. Bahn. Es ist möglich, dass man in diese Gegend, die allen in die Kurorte Reisenden zu Gesicht kommt, besonders Anstrengungen gemacht hat. Da zur Zeit der Herbstbestellung die Bevölkerung noch nicht so stark dezimiert war, ist der Anteil der Winterung an der gesamten Saatfläche in diesem Jahre unverhältnismässig gross. Der W i n t e r war an sich für die Wintersaaten günstig. Die rechtzeitig bestellten Saaten sind recht gut durch den Winter gekommen und selbst die zu spät und mit ganz ungenügender Ackervorbereitung eingebrachten Wintersaaten, von denen normalerweise garnichts zu erwarten war, zeigen noch einen gewissen Bestand. Auffallend gering ist der Anteil des Sommergetreides an der bestellten Fläche. Nur In den Kolchosen, die zum grossen Teil eine staatliche S a a t h i l f e bekommen haben, ist Sommergetreide gesät worden und zwar fast ausschliesslich Gerste. Dagegen wird von den Einzelbauern, soweit sie überhaupt noch bestellen, gewöhnlich nur etwas Mais oder Sonnenblumen gesät. Die Bestellungsarbeiten haben sich überall stark verzögert, da fast nirgends Herbstacker vorhanden ist und für die Frühjahrsbestellung das Spannvieh fehlt. Trotzdem nur ein Teil der Fläche überhaupt bestellt wird, waren die Bestellungsarbeiten Mitte Mai noch nicht abgeschlossen. Das. W e t t e r war auch für die Entwicklung der Sommersaaten bisher g ü n s t i g. Zahlreiche Niederschläge brachten auch auf den schlecht bestellten Feldern die Saat zum Auflaufen. Das U n k r a u t macht sich aber schon jetzt stark bemerkbar, sodass es auf den schlecht bestellten und vernachlässigten Aeckern in kurzer Zeit die Saaten überwuchern wird, zumal es zur Durchführung der Hackarbeiten an arbeitsfähigen Menschen fehlt. Günstig fällt für …. der Umstand ins Gewicht, dass hier,…., der Anteil der S t a a t s g ü t e r an der Saatfläche besonders gross ist. Die Staatsgüter haben offenbar noch einigermassen ihr Bestellungsprogramm ausführen können. Der Saatenbestand und der Zustand der Felder ist aber selbst in den Paradegütern . . . . nicht gut. insbesondere fällt sch jetzt die starke Verunkrautung der Felder auf. Man ist sich auf den Staatsgütern noch nicht darüber im klaren, wo man in diesem Jahre bei der starken Entvölkerung der Umgegend die nötigen Saisonarbeiter herbekommen wird. Wahrscheinlich wird man sehr weit schicken müssen. Trostlos liegen die Verhältnisse in Bezug auf die Z u g k r a f t. Die Traktoren, soweit sie arbeitsfähig sind, können nur einen geringen Teil der Arbeiten bewältigen. Der Pfcrdebcstand ist im Laufe des Winters und Frühjahrs weiter zusammengeschmolzen und stellt nur noch kümmerliche Reste des einstigen Bestandes dar. In ….. sind während der Bestellungskampagne vom 1. März bis 15. Mai 50 % der vorhandenen Pferde gefallen. Die Pferde sind in einem so miserablen Futterzustande und werden bei der Bestellung so bis aufs äusserste angespannt, dass noch weitere Verluste eintreten werden. Ueberall werden daher jetzt die K ü h e a l s S p a n n v i e h verwendet, eine für den …. ganz ungewöhnliche Erscheinung. In den Kolchosen werden die nicht vergesellschafteten Kühe der Kolchosmitglieder zwangsweise für die Feldarbeiten mobilisiert. Die Milchleistungen und der Futterzustand der bei den Feldarbeiten schonungslos ausgenutzten Kühe gehen schnell zurück. Stellenweise soll man sogar schon die Menschen in die Ackergeräte einspannen. Ein grosser Teil der Felder bleibt in diesem Jahr unbearbeitet und bietet damit den Unkräutern Raum zur Verbreitung. Durch die Vernachlässigung der Ackerkulter in den letzten Jahren breiten sich besonders die bösartigen Unkräuter immer mehr aus, wie beispielsweise die Ackerdistel, die überall in grossen Nestern zu sehen ist. Stellenweise haben sich ganze Bestände von Schlehdorn gebildet, die nur durch mühsame Rodearbeiten wieder beseitigt werden können. Wenn die Witterung weiter so günstig bleibt wie bisher, wird immerhin auch auf der schlecht bearbeiteten Feldern etwas geerntet worden, auf den einigermassen ordentlich bestellten Aeckern viel leicht sogar eine Mittelernte erzielt. Insgesamt können jedoch im …. Sowohl im Hinblick auf des B r a c h l i e g e n e i n e s g r o s s e n P r o z e n t s a t z e s d e r A c k e r f l ä c h e als auch im Hinblick auf die gänzlich unzureichende Felderbe schon nach dem jetzigen Stande keine einigermassen befriedigende Ernteresultate erwartet. werden. Bereits im März sind den einzelnen Wirtschaften die in diesem Jahr als Naturalsteuer vom Hektar abzuliefernden Getreidemengen bekannt gegeben worden • Sie würden überall von den: Bauern als durchaus erträglich bezeichnet. Nach den schlimmen Erfahrungen der letzten Jahre fehlt aber bei den. Bauern das Vertrauen in die faktische Gültigkeit der neuen Regelung. Da das Hungersterben noch weiter fortdauert und auch im Zugviehbestande weitere Verbiete zu erwarten sind, wir sie Frage entstehen, w e r d i e E r n t e e i n b r i n g e n s o l l. In denjenigen Dörfern, die noch im Herbst bestellt haben inzwischen ausgestorben sind, liegen die Felder schon jetzt herrenlos da. Vielleicht wird man in stärkerem Umfange das Militär zur landwirtschaftlichen Arbeit heranziehen. Im vergangenen Jahre hat man schon in vielene Fällen Militär zur Erntehilfe auf Staatsgüter und Maschinentraktorenstationen geschickt, u.a. auch auf die grossen Sowchose im …. und damit‚…., anscheinend gute Erfahrungen gemacht. Allerdings wird es an vielen Stellen für eine derartige Aktion an Pferden und Maschinen fehlen. Um die Landwirtschaft in den von der Hungersnot betroffenen Gebieten wieder in gang zubringen, würde eine neue Besiedelung e r f o r d e r 1 i c h sein. Man hört, dass eine solche geplant ist. So sollen ins Bauern aus der . . . . . Gegend gebracht werden. Es wird aber bei der Neubesiedelung einige Jahre dauern, bis die Landwirtschaft wieder in ihren normalen Gang gekommen ist. Der Verfall der Wirtschaftshöfe, des bäuerlichen Maschineninventars, der Ackerkultur usw. ist inzwischen schon soweit vorgeschritten, dass gros wirtschaftliche Werte vernichtet sind. Die Neubesiedlung mit mittellosen Bauens würde für die Anschaffung der notwendigen Produktionsmittel so grosse staatliche Aufwendungen erfordern, dass sie nur sehr langsam vor sich gehen kann. Ein grosser Teil des ….Ackerlandes bleibt in diesem Jahre unbestellt. Da jedoch die Hcrtstbestellung noch von der unverminderten Bevölkerung durchgeführt wurde und die Frühjahrsbestellung unter dem Aufgebot der letzten Kräfte erfolgt, dürfte in diesem Jahr die durch das Hungersterben eingetretene Schrumpfung der Bevölkerung grösser sein als die Schrumpfung der Anbaufläche. Gelingt es, die Ernteschwierigkeiten zu überwinden so würde dadurch das V e r h ä l t n i s z w i s c h e n A n b a u f l ä c h e und B e v ö l k e r u n g s z a h l sich in einer weise verschieben , die für die Ernährungsbilanz eine erhebliche Erleichterung verschafft. Es ist durchaus denkbar, dass ein Lösung der russischen Agrarkrise in der Weise erfolgt, das nicht eine Steigerung der Produktion, sondern durch ein Aussterben derjenigen Millionen, die durch die zerrüttete Landwirtschaft nicht mehr ernährt werden können der Ausgleich zwischen Produktion und Konsum wiederhergestellt wird.
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